Achtung, es folgt ein Roman…
So, es ist tatsächlich soweit. Du bist auf dem Weg zu deinem potentiellen (neuen) Arbeitgeber. Aufregend!
Und noch etwas: Du bist auf dem Weg zu einem Gespräch - die Betonung liegt auf Gespräch, es ist kein Bewerbungs"verhör". Es dient dazu, dass beide Seiten sich besser kennen lernen. Ja, tatsächlich, auch der Arbeitgeber muss sich bei dir „bewerben“. Schließlich ist es keine einseitige Entscheidung, du kannst ein Jobangebot auch ausschlagen, wenn dir das Unternehmen nicht zusagt und die Aufgabe deinen Vorstellungen nicht entspricht.
Achte also ruhig darauf, wie man mit dir umgeht! Wie ist dein erster Eindruck? Behandelt man dich freundlich? Beginnt das Gespräch pünktlich? Bietet man dir etwas zu Trinken an? Stellt man dir die Gesprächsteilnehmer vor? Sind die Gesprächspartner konzentriert bei dir, oder starren sie nebenbei aufs Handy / das Laptop? Begrüßen dich die anderen MitarbeiterInnen? All das sollte auch zu deinem Gesamteindruck zählen und final in deine Entscheidung einfließen. Und ja, der Bauch auch, frag’ dich, ob du dich insgesamt wohl gefühlt hast!
Wie kann man sich wirklich kennen lernen? Eigentlich nur, wenn man sich gibt, wie man ist. Authentizität ist das Credo. Nicht zu verwechseln mit "zu viel aus dem Nähkästchen plaudern"... Aber dazu später mehr.
Die Information oder Frage sollte stets relevant für den Job sein. Und wenn dir eine Frage völlig absurd scheint, so ist das dein gutes Recht, zu fragen, warum sie gestellt wird.
Mit einem Lächeln charmant bemerkt, kann das vielleicht sogar den erfahrenen Personaler aus der Reserve locken. Aber bitte homöopathisch einsetzen. Nicht jede Frage nun mit einer Gegenfrage parieren;).
Es versteht sich von selbst, dass du dich vor einem Gespräch ausführlich über das Unternehmen schlau gemacht und eine konkrete Vorstellung von der Aufgabe hast. Kein Schauspieler oder Tänzer dieser Welt geht ohne intensive Vorbereitung zum Vorsprechen/-tanzen! Das Gleiche sollte auch für das Bewerbungsgespräch gelten. Beide Seiten präsentieren sich! Wenn du so möchtest, muss der Arbeitgeber also auch dir vortanzen;).
Zu deiner Vita sollte dir deshalb auch eine flüssige Geschichte einfallen, statt erst vor Ort über deine Motive zu rätseln. Bevor dir der Personaler alles aus der Nase ziehen muss, lege dir zurecht, warum du dich für ein Studium, eine Ausbildung, eine Tätigkeit oder einen Arbeitgeber entschieden hast und welche deiner Stärken hierauf einzahlen.
Je weniger Berufserfahrung diese Stärken unterstreichen können, desto wichtiger ist es, diese in deinem gewohnten Umfeld zu erfragen. Frag bitte deine Eltern, deine Freunde, Lehrer oder (ehemalige) Kollegen! Was zeichnet dich deren Meinung nach besonders aus? Denk’ an Ferienjobs, Praxiserfahrungen aller Art, Schule/Studium. Welche Projekte haben besonderen Spaß gemacht und warum? Welche Hobbies begleiten dich schon lange und welche Rolle nimmst du hier erfolgreich ein?
Und da die Frage nach Stärken und Schwächen auch immer kommt, ist es wirklich grob fahrlässig, sich nicht darauf vorzubereiten. Nenne dann die Stärken, die auf den Job einzahlen. Wenn du dich als Projektmanager und damit Allround Organisator bewirbst - aber völlig unorganisiert bist - dann passt das einfach nicht. Als Kreativer wird das womöglich erst bei der Übernahme von Managementverantwortung ein Problem;)… Wenn du nicht sonderlich kreativ bist als Projektmanager, ist das hingegen kein Ausschluss, als Designer natürlich schon. Also Stärken und Schwächen sind IMMER relativ. Und wir alle haben sie! Auch dein Gesprächspartner. Mach` dir das bewusst, bitte.
Vielleicht fragt man dich zusätzlich oder stattdessen auch nach "Highlights" und Misserfolgen in deinem Leben oder beruflichen Stationen. Auch hier solltest du in dich gehen und dir zurecht legen, worauf du richtig stolz bist und vielleicht sagst du, "ich würde es nicht gerade als Misserfolg beschreiben, aber rückblickend würde ich xyz etwas anders machen und zwar...". Spontan exzellente Formulierungen zu finden, wird vermutlich schwierig sein. Auch für Berufserfahrene! Daher ist es wichtig, aus der Sicht des Personalers deine Vita zu betrachten. Was könnte man wohl kritisch hinterfragen? Und das dann auch entsprechend bewusst proaktiv zu formulieren:
"Eine 4 in Englisch? Das hier ist ein internationales Unternehmen!"
Deine Antwort könnte lauten: "Darauf bin ich auch nicht besonders stolz, ich habe es aber mittlerweile durch meinen Auslandsaufenthalte, regelmäßige englischsprachige Literatur und Kinobesuche ausschließlich in Originalsprache wett gemacht! Wir können gerne das Gespräch auf Englisch fortsetzen." (Natürlich vorausgesetzt, dem ist so!...)
Und nun zu einem weit verbreiteten Irrtum! Es geht nicht um die „brave, lückenlose“ Vita, um eine Chance auf den Job zu haben. Ganz und gar nicht. ABER. Es muss für euren Gesprächspartner stets nachvollziehbar sein, warum ihr euch für welchen Step entschieden habt. Solltet ihr tatsächlich rückblickend eine „Fehlentscheidung“ getroffen oder etwas bereut haben, so sagt das frei heraus. Es zeigt, dass ihr kritisch reflektieren könnt und bestenfalls auch daraus gelernt habt! Was genau könnt ihr dann ja formulieren. Pläne können sich nunmal ändern, aber es ist wichtig, dass man auch einen längeren Atem beweisen kann, auch wenn nicht immer alles den persönlichen Erwartungen entspricht.
Das tut es in keinem Job der Welt zu 100%…
Und der jetzige Arbeitgeber möchte nunmal verhindern, dass du auch bald wieder weg bist wie vielleicht bei den ersten beiden Stagen deiner beruflichen Schritte. Daher ist es nur verständlich, deine Motive zu hinterfragen!
Mitunter erscheint dir dein Gesprächspartner vielleicht als besonders streng. Das kann seine Persönlichkeit aber auch durchaus ein „Test“ sein, wie du damit umgehst. Mit einigen Fragen kann man dich vielleicht ein wenig unter Stress setzen. Wenn es wirklich manipulativ eingesetzt wird, löst der Personaler das aber im Laufe des Gespräches üblicherweise auf! In jedem Fall möchte man wissen, wie du auf die Art und Weise der Frage reagierst und natürlich wie deine Antwort ausfällt. Ich habe gute Erfahrung damit gemacht, auch mal auf Metaebene zu kommunizieren. Wenn es mir also nicht leicht fällt, eine Frage zu beantworten, kann ich meine Antwort durchaus auch so einleiten: „Oh, das fällt mir gar nicht so leicht, darauf zu antworten. Ich denke, …“ Es ist menschlich und verhilft manchmal zu etwas mehr Bedenkzeit.
Natürlich interessiert es deinen Gesprächspartner, warum du gerade dort und in diesem Job arbeiten möchtest, auch dazu solltest du vorher Kopf und Bauch befragt haben. Das kann in einem Fall das erfolgreiche Traditionsunternehmen, im andern Fall spannende zukunftsweisende Produkte und/oder Dienstleistungen sein und/oder die Art und Weise, wie sich ein Unternehmen bei potentiellen MitarbeiterInnen präsentiert. Auf der Website erfährst du nämlich auch immer etwas über die spezifische „Kultur“ des Unternehmens:
Warum tut man, was man tut? Worauf legt man in der Zusammenarbeit wert? Was schätzt man an Menschen/Mitarbeitern? Was bietet man ihnen? Wird Teamarbeit groß geschrieben oder vermutet man eher Einzelkämpfer hinter all den Leistungsbestreben? Wird Spaß erkennbar und fühlt es sich echt an?
All das sollte auch in deine Begründung mit einfließen! Und wenn es dich so richtig von den Socken haut, gerade das „best Vorstellungsgespräch ever“ zu führen, darfst du das natürlich auch zeigen. Auch Arbeitgeber freuen sich über begeisterte BewerberInnen.;)
Dein Gesprächspartner wird also auf deine Beweggründe für Entscheidungen in deinem beruflichen Leben eingehen, darauf musst du dich vorbereiten. Das gilt für Studienwahl, Studiengangwechsel oder Ausbildungsabbrüche ebenso wie Jobwechsel! Das ist und bleibt so. Wenn du drei Mal den Job aus dem Bauch heraus gewechselt hast, solltest du dir überlegen, ob du es dem Gegenüber genauso verkaufst, oder ob es vielleicht auch einen Grund geben kann, der etwas nachvollziehbarer ist.
Da es sich ja um ein Gespräch handelt, kannst und sollst du natürlich auch Zwischenfragen stellen, wenn dir etwas nicht klar ist aber auch zu deinem Einstieg. Damit meine ich nicht nur Fragen nach Urlaubstagen, Arbeitszeiten und Gehalt... In erster Linie könntest du dich erkundigen, wie groß das Team ist, dem du angehören wirst, wer dich einarbeitet und wie das Onboarding (dein persönliches Ankommen und die fachliche wie persönliche Intergration) insgesamt verlaufen wird.
Ja, auch Notizen solltest du dir machen! Gerade dann, wenn du mehrere Gespräche hast und bestenfalls später die Qual der Wahl hast.
Achtung! Nimm dir Zeit für deine Antworten. Ja, das darfst du. Lieber eine überlegte Antwort, für die du etwas Zeit benötigst, als ein unüberlegter Schnellschuss.
Versuche, nur die Fragen zu beantworten und nicht allzu sehr abzuschweifen und vom „Hölzcken aufs Stöckchen“ zu kommen.
Es ist und bleibt eine Testsituation, egal wie „nah“ und nett dein Gegenüber ist.
Manchmal entlockt er dir mit einer besonders vertraulichen Art Dinge, die du besser für dich behalten hättest. Ja, auch wir Personaler haben so unsre Tricks.;)
Frag` dich also durchaus, in welchem Licht dich manche Aussagen erscheinen lassen können, bevor du Dinge erzählst, die du nicht mehr zurück nehmen kannst. Also kurz und gut - wahrheitsgemäß antworten aber nicht ALLES erzählen.;). (Zu den Fragen, die du nicht wahrheitsgemäß beantworten musst, findest du ausreichend Informationen im Netz.)
Vergiss nicht die Rahmenbedingungen zu hinterfragen! Bis wann kannst du mit einem Feedback rechnen, wie sehen die nächsten Schritte aus, etc.. Viele Unternehmen bieten heute schon Probetag/e an, das solltest du dann in jedem Fall in Anspruch nehmen! Wird dir so einer nicht angeboten, kannst du das gerne von dir aus anbieten!
Mein Fazit - üben, üben, üben. Und auch mal ein Vorstellungsgespräch annehmen, wenn man den Job vielleicht gar nicht unbedingt möchte. Einfach, um... - genau, zu üben!
Oder du kommst zu mir, dann klappt es garantiert!;)

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